
SG: 1998 hast du die Geschäftsleitung übernommen, wie kam es dazu?
(RB) Mein erster Kontakt zur SVMB war 1984. Damals lernte ich bei einem Reha-Aufenthalt in Leukerbad Heinz Baumberger, den damaligen Präsidenten, kennen. Er motivierte mich, Veranstaltungen für junge Mitglieder zu organisieren. Das habe ich mehrere Jahre gemacht und 1992 wurde ich in den Vorstand gewählt. 1998 befand sich der Verein in einer angespannten finanziellen Situation und für das vakante Präsidium konnte niemand gefunden werden. So haben wir damals im Vorstand entschieden, die Flucht nach vorne anzutreten.
Was meinst du damit?
An den Geschäftsleiter wurden mehr Kompetenzen abgegeben und es wurde ihm auch die Verantwortung für das Budget übertragen. So bekamen wir als Team in der Geschäftsstelle den notwendigen Handlungsspielraum, um effizient arbeiten zu können. Das hat mich motiviert, aus meinem bisherigen Hobby einen Beruf zu machen und die Stelle zu übernehmen.
Wie hat es sich angefühlt?
Grossartig! Ich wurde von den Mitgliedern mit offenen Armen empfangen. Dieser wohlwollende Rückhalt bei den Mitgliedern hat mich bis heute getragen und erfüllt mich mit grosser Dankbarkeit. In all den Jahren meiner Tätigkeit durfte ich zudem auf die Unterstützung von Personen zählen, welche mit ihrem persönlichen oder finanziellen Engagement dazu beigetragen haben, dass wir unser Angebot für die Betroffenen ausbauen, Forschungsprojekte vorantreiben und die SVMB als Organisation stetig weiterentwickeln konnten. Es war für mich ein grosses Privileg, mit so vielen engagierten Personen und in diesem inspirierenden und interessanten Umfeld tätig sein zu dürfen. Es war mir immer bewusst, dass dies nicht selbstverständlich ist, und ich bedanke mich herzlich bei allen, die in irgendeiner Form mitgeholfen haben.
Was zeichnet die SVMB aus?
Mit einer chronischen Krankheit leben zu lernen und den Alltag zu bewältigen ist eine grosse Herausforderung. Am beruflichen und sozialen Leben teilnehmen zu können ist enorm wichtig, und dies unterstützen wir mit unseren Dienstleistungen auf vielfältige Weise. Die SVMB ist ein gutes Beispiel für gelebte Selbsthilfe. Obwohl wir als Verein stetig gewachsen sind und heute 4500 Mitglieder zählen, ist der einmalige Spirit, der uns als Verein auszeichnet, immer noch an jedem Anlass spürbar.
Was hat sich in den drei Jahrzehnten verändert?
Früher war es für die Betroffenen nicht besser. Man erkannte die Krankheit erst, wenn auf dem Röntgenbild bereits irreversible Veränderungen sichtbar waren. Heute werden bei der Diagnosestellung bei 92% MRI eingesetzt. Das hilft, die Krankheit früher zu erkennen und mit der richtigen Behandlung zu beginnen, denn heute gibt es wirksame Medikamente, welche den Versteifungsprozess aufhalten können. Was sich in all den Jahren nicht verändert hat und Linderung bringt, ist Bewegung und Sport. Den ältesten Mitgliedern hatte man in ihren jungen Jahren noch zu Ruhe und Schonung geraten. Dann kam die Erkenntnis, dass ein entzündlicher Rückenschmerz sich mit Bewegung bessert, und das führte 1978 auch zur Gründung der SVMB mit dem Aufbau von Therapiegruppen in der ganzen Schweiz.
Wo siehst du noch Lücken?
Pro Jahr tauschen sich Betroffene im Schnitt nur für die Dauer eines Fussballspiels, also 90 Minuten, mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt aus. Diese Zeit ist zu knapp für eine umfassende Information und Beratung, wie sie ganz besonders für Neudiagnostizierte von Bedeutung wäre. Denn je besser sie über das Krankheitsbild und die möglichen Therapien informiert sind, desto selbstbestimmter ist ihr Handeln und desto zuversichtlicher sehen sie in die Zukunft. Dazu kommt der drohende Fachkräftemangel in medizinischen Berufen. Hier übernimmt die SVMB eine wichtige Funktion und kann mithelfen, diese Lücke zu schliessen. Das zeigt auch die stetig steigende Nachfrage bei unseren Beratungen.
Es gibt also noch einiges zu tun?
Ja, die Arbeit wird euch nicht ausgehen. Obwohl die Krankheit bei vielen Betroffenen heute äusserlich nicht mehr sichtbar ist, dürfen wir nicht vergessen, dass trotz verbesserten Medikamenten die Mehrheit der Betroffenen täglich Schmerzen hat. Die Krankheit begleitet Betroffene auf Schritt und Tritt sowie in Ruhephasen.
Nebst den Dienstleistungen, welche mithelfen, den Alltag besser zu meistern, ist es meines Erachtens ganz entscheidend, Forschungsaktivitäten zu unterstützen. Das trägt dazu bei, dass wir das Krankheitsbild und die möglichen Therapien immer besser verstehen. Deshalb vergeben wir seit vielen Jahren einen Forschungspreis. Es war immer unsere Vision, dass die Krankheit geheilt werden kann und unser Verein aufgelöst wird. Leider ist uns das nicht gelungen. Nun hoffen wir, dass die nächste Generation diese Aufgabe weiterführt, damit diese Vision Wirklichkeit wird.
Wie sieht deine persönliche Zukunft aus?
Ich freue mich, noch ein weiteres Jahr Projekte für die SVMB zu betreuen, und werde mich danach als «Neni» nützlich machen und vermehrt aufs Velo steigen. Daneben bleibe ich Geschäftsleiter der Schweizerischen Bechterew-Stiftung.
RB: Wie bist du, Simon, zur SVMB gekommen?
(SG) Während meines Studiums war ich für einige Jahre als Projektleiter bei der SVMB tätig. Meine Masterarbeit habe ich zum Thema «Performance Measurement in Patientenorganisationen am Beispiel der SVMB» geschrieben. Im Fokus stand die Frage der Wirksamkeit der Angebote. Im Jahr 2019 wurde ich in den Vorstand der SVMB gewählt. Auf diese Weise konnte ich die Organisation aus verschiedenen Perspektiven kennenlernen. Der Gemeinschaftssinn sowie die hohe Anzahl der freiwillig und ehrenamtlich tätigen Personen sind insbesondere in Zeiten der zunehmenden Individualisierung inspirierend. Den persönlichen Kontakt zu den Mitgliedern und dem Team habe ich stets sehr geschätzt. Für mich war es eine Herzensangelegenheit und ein logischer Schritt, auch operativ wieder zur SVMB zurückzukehren.
Welche Ziele hast du dir gesetzt?
Unsere Arbeit wird sich auch in Zukunft an den Betroffenen und deren Bedürfnissen orientieren. Wir wollen vom Zeitpunkt der ersten Beschwerden über die Diagnose bis hin zum Leben mit der Krankheit Unterstützung bieten. Die unterschiedlichen und sich zeitlich auch verändernden Bedürfnisse können wir jedoch nur verstehen, indem wir weiterhin regen Kontakt zu unseren Mitgliedern pflegen. Neben den nach wie vor wertvollen physischen Veranstaltungen wollen wir dabei auch die digitalen Angebote stärken. Aktuelle Forschungsresultate wollen wir mithilfe von Erklärvideos verständlich und ansprechend vermitteln. Die Beratungsangebote und das Coaching würden wir gerne weiter ausbauen. Besonders wichtig bleiben die Bewegungstherapien, die wir trotz Herausforderungen auch in Zukunft anbieten wollen. Projekte wie BeFit oder Rheumafit treffen den Nerv der Zeit solche und wollen wir auch in Zukunft fördern. Nicht zuletzt möchte ich Forschungsarbeiten unterstützen und weiterhin aktiv zur Vernetzung im Fachbereich beitragen. Hier ist es mir wichtig, bestehende Netzwerke zu pflegen und neue Kooperationen zu fördern.
Die SVMB hat sich in den letzten Jahren zu einer der grössten Patientenorganisationen der Schweiz entwickelt und steht heute sowohl strukturell als auch finanziell auf gesunden Beinen. Dies ist auch der Arbeit des Teams rund um dich als Geschäftsleiter zu verdanken. Mit einem dynamischen Team hast du immer wieder innovative Angebote ausgearbeitet und den Kontakt zu den Mitgliedern im Fokus behalten. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich für das grosse Engagement bedanken. Ich blicke zuversichtlich in eine Zukunft, in der Patientenorganisationen an der Schnittstelle zwischen den Betroffenen und den medizinischen Fachpersonen eine immer bedeutungsvollere Stellung einnehmen.
Simon Grosswiler (36) hat im Januar die Geschäftsleitung der Schweizerischen Vereinigung Morbus Bechterew übernommen. Er verfügt über einen Master der Universität St. Gallen in Wirtschaftsinformatik sowie mehrjährige Erfahrung als Revisor bei Pricewaterhouse Coopers und als Klinikmanager beim Universitätsspital Zürich.
Liebe Mitglieder
Ich freue mich über Ihre Anregungen und Wünsche. Sie erreichen mich über den folgenden Link, per E-Mail oder telefonisch.
Herzlichen Dank,
Simon Grosswiler, Geschäftsleiter
–> inputs.bechterew.ch/ffvxqsw6f
–> simon.grosswiler@bechterew.ch
–> 044 272 78 66
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift «vertical» Nr. 103 erschienen.