«2017 brachen wir als frisch verheiratetes Paar in die Flitterwochen auf. Eine Kreuzfahrt auf den Hurtigruten stand auf dem Programm. Es war die letzte Woche der Schiffsreise, als ich meinen ersten Bechterew-Schub hatte. Plötzlich hatte ich stechende Schmerzen, mit denen ich überhaupt nichts anfangen konnte. Während vier Tagen war ich praktisch bewegungsunfähig und das kaltfeuchte Wetter machte es auch nicht besser. Zu Hause verbesserte sich mein Zustand kaum. Bei der ersten Sprechstunde im Spital stellten die Ärzte nichts Aussergewöhnliches fest. Nach dem MRI wurde aber klar: Ich habe Morbus Bechterew. Ich bin ausgebildete Sporttherapeutin und wusste mit dem Begriff etwas anzufangen. Die Diagnose war dennoch ein Schock. Für mich brach eine Welt zusammen. Mein Zustand überforderte auch meine Familie, weil in der Verwandtschaft keine ähnlichen Erkrankungen vorliegen. Wir brauchten Zeit, um zu verstehen, dass niemand die Schuld an der Erkrankung trägt.
«In guten wie in schlechten Zeiten»
Mein Mann und ich wollten dennoch bald entscheiden, wie die Familienplanung mit dem Bechterew funktionieren soll. Dies bedurfte einer langen Planung und ich musste meinen Medikamentenhaushalt umstellen. So verzichtete ich während der Schwangerschaft unter anderem auf Schmerzmittel und litt so auch unter mehrtägigen Beschwerden. Erschwerend kam die Pandemie hinzu, wodurch unter anderem alle Babykurse abgesagt wurden. Nach all diesen Hindernissen blieb die Frage, wie ich überhaupt ein Kind grossziehen soll. In den schlimmsten Schubphasen schwellen meine Hände so stark an, dass ich nicht einmal ein Butterbrot streichen kann. Ganz nach dem Motto «In guten wie in schlechten Zeiten» beschlossen mein Mann und ich aber, dass die Erziehung mit der Unterstützung von Partner und Familie möglich ist. Mir ist bewusst, dass es Tage geben wird, an denen die Kinderbetreuung nicht machbar sein wird. Ich werde dann alles langsamer angehen lassen und darf auf Freunde in der Nachbarschaft zählen.
Auch drei Jahre nach der Diagnose ist der Wissensstand in meinem Umfeld über Morbus Bechterew sehr unterschiedlich. Das ist sehr anstrengend, weil alle nach Erklärungen für die Schmerzen suchen. Auch habe ich oft das Gefühl, dass ich mich rechtfertigen muss für meine Erkrankung, da man ja nicht sieht, dass ich krank bin. Manchmal wird einem auch das Gefühl vermittelt, dass man die Beschwerden nur vortäuscht.
Wertvoller Rückhalt
Nach der Diagnose las ich viel über das Krankheitsbild und mögliche Verläufe. Meiner Familie schickte ich einige Informationsflyer, was ihr vorerst half, meinen Zustand zu akzeptieren. Fakt ist, dass ich mit dem Bechterew leben muss und sich mein Zustand durch die Empathie meiner Mitmenschen nicht bessert. Dadurch habe ich gelernt, offener über meine Beschwerden zu sprechen. Vor der Diagnose war ich eine Meisterin darin, Fragen nach dem Befinden mit einem floskelartigen ‹Es geht mir gut› zu beantworten.
Ich habe mich schliesslich bei der Bechterew-Vereinigung angemeldet, um mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. In der Therapiegruppe erhalte ich wertvollen Rückhalt und kann von der Lebenserfahrung der anderen Teilnehmer profitieren. Es herrscht immer eine super Stimmung. Zuhause halte ich mich mit Gymnastikübungen fit. In meiner Freizeit war ich bereits vor der Schwangerschaft sportlich aktiv. Mein Mann inspirierte mich zudem zum Triathlon-Training. Das empfinde ich insbesondere beim Bechterew als sinnvoll. Ich habe vor, in meinem Leben mindestens einmal – sei es bei einem Lauf oder Triathlon – über eine Ziellinie zu laufen. Wortwörtlich ein Ziel vor Augen zu haben hilft mir, Motivationstiefs zu überstehen.»
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift «vertical» Nr. 87 erschienen.