«Beim Reisen kann ich den Schmerz vergessen»

Audrey Kohler aus Delémont liebt ihren Beruf in der Betreuung betagter Menschen. Durch den Morbus Bechterew kennt sie auch deren Schmerzen.

12. Juli 2016

«Mein Freund versteht mich am besten», erzählt Audrey Kohler, denn er sehe und erlebe ihre Krankheit ja Tag und Nacht. So logisch diese Aussage erscheint, so schwer war es für die junge Jurassierin anfänglich, den Morbus Bechterew als Teil ihres Lebens zu akzeptieren. Sie habe stundenlang nach Informationen im Internet gesucht, um die Krankheit besser zu verstehen, habe aber nichts Beruhigendes gefunden. «Dies hat mehr zu Verzweiflung geführt als mir geholfen», gesteht Audrey Kohler.

Audrey Kohler
Audrey Kohler: «Weniger Stress bedeutet weniger Schmerzen.»

Auf Empfehlung ihres Arztes schrieb sie sich in die Bechterew-Gymnastikgruppe von Delémont ein, um an die Krankheit angepasste Übungen zu finden. Später, anlässlich eines Vortrags zum Thema «Reisen mit Rheuma», traf sie zufällig eine Arbeitskollegin und erfuhr, dass diese ebenfalls von Bechterew betroffen ist. «Meine Erfahrungen und meine Schmerzen mit einer nahestehenden Person zu teilen hat mir sehr gut getan.» Dank der Wasser- und Gymnastikkurse, aber auch der regelmässigen Physiotherapie-Sitzungen, die sie so gut wie möglich in den Arbeitsalltag integriert, hat sie nun die Schmerzen besser im Griff und fühlt sich fitter. «Es hilft mir im Alltag sehr, eine Arbeit zu haben, bei der ich aktiv bin und nicht in einem Büro sitze», erzählt die 28-jährige.

Guter Draht zur älteren Generation

«Nach der Diagnose dauerte es fast drei Jahre, bis ich ein Gleichgewicht im Umgang mit den Schmerzen und den Medikamenten fand», erzählt Audrey Kohler. Die Behandlung wurde mehrmals angepasst, bis sie eine fand, die ihr zusagte. Heute nimmt sie die Medikamente nach Bedarf, und wenn sie regelmässig Sport treibt, braucht sie deutlich weniger.

Nachdem sie während drei Jahren im Wallis Soziale Arbeit studierte, ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt und arbeitet nun seit fünf Jahren in der Residenz Claire-Fontaine im jurassischen Bassecourt. Die Nähe und die Arbeit mit den betagten Menschen gefällt ihr sehr, denn sie habe schon immer einen guten Draht zur älteren Generation gehabt. «Je nach den Aktivitäten, die ich betreibe oder der Energie, die ich benötige, um meinen Freunden zu folgen, habe ich das Gefühl, 80 Jahre alt zu sein! Ich bewundere meine Kollegin, die in der Pflege arbeitet, das wäre körperlich zu anstrengend für mich, denke ich», sagt Audrey Kohler. Dafür hat sie nun bereits eine leitende Stellung innerhalb des Heims inne.

«Weniger Stress bedeutet weniger Schmerzen»

Eine weitere Leidenschaft neben der Arbeit ist für Audrey Kohler das Reisen. Sie liebt es, neue Länder und Kulturen auf der ganzen Welt zu entdecken. Als sie während sechs Monaten als Rucksacktouristin in Asien unterwegs war, konnte sie ihre Schmerzen manchmal fast ganz vergessen. «Das warme Klima, die vielen neuen Eindrücke und das Verlassen der Routine taten mir einfach gut», erzählt Audrey Kohler. Ohne die Überzeugungskraft ihres Freundes hätte sie die Reise wahrscheinlich nicht angetreten. Zu gross war die Angst, sie könnte weit von zuhause entfernt und in unter prekären Bedingungen einen Schub bekommen. Die geringeren Beschwerden führt sie auch auf den entspannten Lebensstil während des Reisens zurück. «Weniger Stress bedeutet weniger Schmerzen», fasst sie kurz und bündig zusammen. Zuhause im Jura weiss sie, dass sie sich bewegen muss, um ihre Beweglichkeit zu erhalten und ihre Schmerzen im Griff zu behalten, auch wenn es dafür manchmal viel Motivation braucht. Ihr Freund ist sehr aktiv und hilft ihr dabei, indem er ihr verschiedenste Aktivitäten vorschlägt. «Es ist nicht seine Art, mich Trübsal blasen zu lassen!»

Besonders wichtig sind Audrey Kohler auch ihre Familie und ihre Freunde, die sie zum Teil schon seit der frühen Kindheit kennt. So ist sie denn auch stark im Jura verwurzelt. Beruflich absolviert sie ab nächstem Oktober noch eine Ausbildung in Team- und Projektführung, um die Abteilung im Heim besser führen zu können. Obwohl sie sich an den meisten Tagen gut fühlt, hofft sie, dass das Verständnis für den Morbus Bechterew in der Bevölkerung noch wächst und dass die Menschen verstehen, dass es sich bei der Krankheit um mehr als «ein bisschen Rückenweh» handelt.