Autoimmunerkrankungen und immunsuppressive, also das Immunsystem unterdrückende Therapien erhöhen das Risiko, an einer virus- oder bakterienbedingten Infektion zu erkranken. Zu wissen, wie sich Covid- 19 bei Patienten mit einer entzündlich- rheumatischen Krankheit wie dem Morbus Bechterew auswirkt, ist deshalb von eminentem Interesse. Dr. José Luis Pablos vom Forschungsinstitut Hospital Universitario 12 de Octubre in Madrid und seine Mitverfasser haben deshalb in einer Studie in Zusammenarbeit vieler Kliniken untersucht, wie sich eine rheumatische Vorerkrankung auf den Covid-19-Verlauf auswirkt und welche Risikofaktoren dabei eine Rolle spielen.
Mehr oder weniger grosse Unterschiede
Für die Untersuchung wurde auf Datenbanken zugegriffen, in denen die Befunde bei Patienten mit rheumatischen Krankheiten erfasst sind. 228 Rheumapatienten (60% mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis oder Spondyloarthritis, 40% mit Bindegewebskrankheiten), bei denen eine Covid-19-Erkrankung festgestellt worden war und von denen die meisten deshalb in ein Krankenhaus eingewiesen wurden, wurden verglichen mit 228 Covid-19-Patienten ohne rheumatische Vorerkrankung mit gleicher Alters- und Geschlechtsverteilung. Fettleibigkeit war bei den Rheumapatienten doppelt so häufig (32%) wie in der Vergleichsgruppe (17%), und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eineinhalbmal so häufig (28% gegenüber 18%), während es in Bezug auf Diabetes, Bluthochdruck und Lungenkrankheiten keine signifikanten Unterschiede gab. 40% der Rheumapatienten wurden mit Corticosteroiden behandelt, 57% mit DMARDs (Disease-modifying anti-rheumatic drugs, krankheitsmodifizierende Antirheumatika; davon 28% mit Methotrexat, 12% mit Anti-Malaria-Medikamenten, 9% mit Leflunomid und 7% mit Sulfasalazin) und 23% mit Biologika (davon 15% mit TNF-Alpha-Blockern). Bei den meisten Patienten (86%) wurden die immunsuppressiven Medikamente (ausser den Corticosteroiden) entweder gleich bei der Covid-19-Diagnose oder bei der Krankenhauseinweisung abgesetzt.
Lungenentzündung bei «Gesunden» deutlich häufiger
Beim Verlauf der Covid-19-Krankheit gab es in den beiden Patientengruppen einen signifikanten Unterschied nur bei der im Röntgenbild festgestellten Lungenentzündung, die in der Vergleichsgruppe hochsignifikant häufiger war. Unter den schweren Komplikationen war ein Herzversagen bei den Rheumapatienten (nichtsignifikant) häufiger, während es bei allen anderen Befunden kaum Unterschiede gab. Das Risiko, besonders schwer an Covid-19 zu erkranken, betrug bei den Rheumapatienten 32% und in der Vergleichsgruppe 28% der Erkrankten. Unabhängige Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf waren ein Alter von mehr als 60 Jahren, männliches Geschlecht, Begleit- Erkrankungen wie Fettsucht, Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Lungenerkrankungen und rheumatische Bindegewebserkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes, systemische Sklerose, Vasculitis etc.), nicht aber die entzündlichen Gelenk-Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Spondyloarthritis. Von den entzündungshemmenden Medikamenten war nur der Gebrauch von Corticosteroiden ein Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf, während der Gebrauch von DMARDs oder Biologika, einschliesslich TNFAlpha- Hemmern, das Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs nicht erhöhte. Statistisch signifikante Unterschiede in der Risiko-Erhöhung zwischen Rheumapatienten und Patienten ohne rheumatische Krankheit gab es nur bei Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bekannte Risikofaktoren
Die bekannten Risikofaktoren – hohes Alter, männliches Geschlecht und eine Reihe von Begleiterkrankungen – erhöhen auch bei Bechterew- und weiteren Rheumapatienten das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf. Der Gebrauch von immunsuppressiven Medikamenten, einschliesslich der bei einer Spondyloarthritis häufig eingesetzten TNF-Alpha-Hemmer, die bei den meisten Patienten spätestens bei der Krankenhauseinweisung abgesetzt werden, erhöht dagegen nicht das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf.
Patientengemässer Bericht über die Veröffentlichung «Clinical outcomes of hospitalised patients with COVID-19 and chronic inflammatory and autoimmune rheumatic diseases» von José Luis Pablos und 15 weiteren Verfassern aus spanischen Instituten und Kliniken, erschienen in Annals of the Rheumatic Diseases Band 79 (2020) S. 1544–1549 Quelle: Morbus-Bechterew-Journal Nr. 164 (März 2021), mit Anpassungen der «vertical»-Redaktion
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift «vertical» Nr. 90 erschienen.