Dort, wo das Blut aus der linken Herzkammer in die Hauptschlagader, die Aorta, gepumpt wird, befindet sich die Aortenklappe, die verhindert, dass das Blut ins Herz zurückfliesst, wenn die Herzkammer sich nach dem Zusammenziehen wieder ausdehnt. Wenn dieses Ventil nicht richtig schliesst, sprechen die Ärzte von einer Aortenklappen-Insuffizienz, und wenn das Ventil verkalkt ist und nicht richtig öffnet, von einer Aortenklappen-Stenose.
Zu den Symptomen einer Aortenklappen-Insuffizienz gehören verminderte Belastbarkeit, rasche Ermüdbarkeit und Luftnot. Auch Brustschmerzen können auftreten: Da auch in die Herzkranzgefässe nicht mehr ausreichend Blut gepumpt wird, können diese das Herz nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgen, sodass es zu einem Teufelskreis kommt und das Herz immer weniger leistet. Eine Aortenklappen-Stenose äussert sich meist in ähnlichen Symptomen. Zusätzlich sind Schwindel und kurze Ohnmachtsanfälle möglich, insbesondere während oder nach körperlicher Anstrengung.
Rechtzeitige Behandlung lebenswichtig
Der Kardiologe Dr. Michael Chetrit, der Rheumatologe Prof. Dr. Muhammad Asim Khan und der Kardiologe Prof. Dr. Samir Kapadia aus Cleveland (Ohio [USA]) haben in ihrer Veröffentlichung zusammengestellt, wie die Krankheiten der Aortenklappe bei Morbus-Bechterew-Patienten heutzutage diagnostiziert und behandelt werden. In einer Studie mit 519 Morbus-Bechterew-Patienten hatten nach fünf Krankheitsjahren 1% eine Aortenklappen-Insuffizienz und nach 30 Krankheitsjahren 10%. Nach Ward u.a. stieg die Häufigkeit von 2,6% im Alter von 65 Jahren auf 17% bei einem Alter von mehr als 80 Jahren. Eine rechtzeitige Erkennung und Behandlung ist sehr wichtig, denn die unbehandelte Krankheit kann fatale Folgen haben. Der Klappenersatz mithilfe eines Katheters eröffnet neue Aussichten für Patienten, bei denen traditionelle Herzoperationen nicht durchführbar oder zu riskant sind. Ultraschalluntersuchungen spielen bei der Untersuchung von Bechterew-Patienten auf eine Aortenklappen-Insuffizienz die Hauptrolle. Bei unsicheren Ergebnissen kann eine Computer-Tomografie oder eine Magnetresonanz-Tomografie (jeweils evtl. mit Kontrastmittel) für Klarheit sorgen.
Bei geringer Entzündungsaktivität operieren
Das zunehmende Rückfluss-Volumen bei einer Aortenklappen-Insuffizienz führt dazu, dass das Herz gegenzusteuern versucht. Wenn dadurch die Ventilfunktion nicht normalisiert wird, gibt das Herz die Kompensationsversuche auf und es kommt zu den beschriebenen Symptomen. Dann ist es nach jüngsten Empfehlungen höchste Zeit, mit der Behandlung zu beginnen. Eine Behandlung mit Medikamenten hat sich als unwirksam erwiesen. Ob langfristig krankheitsmodifizierende Rheuma-Medikamente oder DMARDs zusammen mit blutdrucksenkenden Medikamenten bei Bechterew-Patienten die Wahrscheinlichkeit einer Aortenklappen-Insuffizienz herabsetzen können, ist eine in der Literatur nicht beantwortete Frage.
Die Behandlung der Wahl ist eine Reparatur des Ventils oder sein Ersatz, je nach der Schwere seines Versagens. Aufgrund der Erfahrungen bei anderen rheumatischen Erkrankungen hängen die Erfolgsaussichten von der Stärke der das ganze Organsystem betreffenden Entzündungsprozesse ab.
Die schwerstmögliche Komplikation eines solchen Eingriffs ist die Ablösung des Ersatzventils und die Bildung einer Ausbeulung aufgrund der Verletzlichkeit der Aorta-Wand und des angrenzenden ringförmigen Gewebes. Es wird deshalb empfohlen, die Operation in einer Phase geringer Entzündungsaktivität durchzuführen und evtl. eine begleitende Corticosteroid-Behandlung in Betracht zu ziehen. Ein Ersatz der Aortenklappe hat nach diesen Bemerkungen bei Bechterew-Patienten gute langfristige Erfolgsaussichten.
Welche Operationstechnik?
Von den zur Verfügung stehenden Operationstechniken ist bei den vorwiegend Über-80-jährigen Patienten mit versteiftem Brustkorb und den bekannten Narkose-Schwierigkeiten die Einführung der Ersatzklappe mithilfe eines Katheters zu bevorzugen. Leider gibt es keine zufallskontrollierten Studien, in denen der chirurgische Klappenersatz mit der Katheter-Methode verglichen wird. Der Erfolg der Katheter-Methode beruht weitgehend auf dem kalkhaltigen Gewebering, der die neue Aortenklappe bei der Durchleuchtung sichtbar macht und so die Verankerung erleichtert.
Verkalkung durch Computertomografie sichtbar machen
Die Aortenklappen-Stenose gehört zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen. Für rund 82% aller Aorta-Verengungen ist eine Verkalkung verantwortlich. Sie führt zu einer zunehmenden Verdickung der Klappensegel, die ihre Bewegung erschwert, sodass weniger sauerstoffreiches Blut in den Körper gepumpt werden kann. Sie ist bei Männern häufiger als bei Frauen und ist im Alter von über 50 Jahren dreimal so häufig wie bei Jüngeren. Die Patienten klagen über rasche Ermüdung, Kurzatmigkeit bei körperlichen Anstrengungen, Schwindel, Herzklopfen, Angina-artigen Schmerzen und Ohnmachtsanfälle.
Auch in diesem Fall ist die Ultraschalluntersuchung die wirksamste, sicherste und praktikabelste Untersuchungsmethode. Wenn die Untersuchung mit einem auf den Brustkorb aufgesetzten Ultraschallkopf nicht ausreicht, können ein Ultraschallsender und -empfänger durch die Speiseröhre eingeführt werden. Um die damit verbundenen Unannehmlichkeiten und Risiken zu umgehen, kommt bei Bechterew-Patienten neuerdings auch die Multi-Detektor-Computer-Tomografie (MDCT) mit Kalzium-Erfassung infrage.
Multidisziplinäre Zusammenarbeit
Da es keine Medikamente oder sonstigen Behandlungsformen gibt, die das Fortschreiten der Aortenklappen-Stenose verlangsamen, ist angesichts der Sterberate von 12% innerhalb von sechs Monaten bei einer schweren Aortenklappen-Stenose der Klappenersatz die einzige verfügbare Behandlungsform. Ob die Ersatzklappe chirurgisch oder mithilfe eines Katheters eingefügt wird, hängt von der Einschätzung der Risiken ab. Zur Einschätzung dieser Risiken ist die Zusammenarbeit eines multidisziplinären Teams erforderlich, denn dazu gehört erstens die Einschätzung des operationsbedingten Sterberisikos, zweitens die Beurteilung der Gebrechlichkeit des Patienten und drittens die Einschätzung der Operationsrisiken unter Berücksichtigung des Zustands wichtiger Organe wie Lunge, Verdauungstrakt, Nieren und Nervensystem und möglicher Komplikationen bei Narkose und Beatmung.
Bei Patienten, bei denen ein Aortenklappen-Ersatz nötig ist, bietet sich die Gelegenheit, auch eine Erkrankung der Herzkranzgefässe, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen, mitzubehandeln. Für geschädigte Bereiche des Herzmuskels kann dadurch eine ausreichende Blutversorgung wiederhergestellt werden.
Wenn die Aorta entzündet ist
Eine lebensbedrohliche Begleiterkrankung zum Morbus Bechterew ist die Aortitis (Aorta-Entzündung). Eine Entzündung der Aorta-Wand kann zu einer Ausdehnung der Aorta-Wurzel am Herzen führen, zu Ausbeulungen oder gar zu Einrissen im weiteren Aorta-Verlauf. Eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit ist die chirurgische Korrektur der Ausbeulungen. Wichtig ist der Einsatz entzündungshemmender Medikamente, gewöhnlich Corticosteroide, vor und nach der Operation.
Unter der Bezeichnung Peri-Aortitis wird ein Spektrum von Krankheiten im Aorta-Bereich vom Herz bis zu den Beinen zusammengefasst. Eine chronische Peri-Aortitis kann mithilfe der Computer-Tomografie oder der Magnetresonanz-Tomografie diagnostiziert werden. Zur Kontrolle des Therapie-Erfolgs wird auch die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) eingesetzt.
Zur Behandlung der Peri-Aortitis werden ebenfalls entzündungshemmende Medikamente und chirurgische oder endoskopische Interventionstechniken eingesetzt. Trotz dieser Behandlung kann eine Peri-Aortitis wiederkehren, sodass die Diagnostik und Behandlung wiederholt werden muss.
Risiken immer abschätzen
Probleme im Herz kommen beim Bechterew zwar vor, sind glücklicherweise aber selten. Treten sie auf, ist eine frühzeitige Behandlung jedoch lebenswichtig. Dank moderner Untersuchungsmethoden wie der Ultraschalluntersuchung, der Computer-Tomografie, der Magnetresonanz-Tomografie und der Positronen-Emissions-Tomografie können die Probleme rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Wenn bei einer Aortenklappen-Insuffizienz eine chirurgische Reparatur oder ein Aortenklappen-Ersatz nötig ist, ist bei Bechterew-Patienten die Einführung der Ersatzklappe mithilfe eines Katheters zu bevorzugen. Auch bei einer Aortenklappen-Stenose muss die Aortenklappe ersetzt werden. Bevor über die Operationsmethode entschieden wird, müssen in jedem Fall die Risiken der verschiedenen Methoden beim betreffenden Patienten abgeschätzt werden.
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift «vertical» Nr. 87/Februar 2021 erschienen.